Wednesday, 28. March 2007

Theorie und Praxis

Nach meinem Diplom und der damit verbundenen umfangreichen und zumindest kulturtechnisch ausgiebigen Beschäftigungen mit dem Semantic Web, kam ich mehr und mehr zu der Auffassung, dass es zwar äußerst nützlich und angenehm wäre, eine solche Technologie eines Tages zur Verfügung zu haben, dies aber noch länger dauern würde und vielleicht für immer ein Wunschtraum der Logik bleiben würde. Zu hochfliegend kam mir die Idee vor und je tiefer ich mit meinem zugegebenermaßen etwas laienhaften technischem Verständnis von RDF und OWL in die Thematik eindrang, umso stärker wurden meine Zweifel an der Durchführbarkeit und Verbreitung des ambitionierten Versuches, die Daten des WWW endlich auch maschinenprozessierbar zugänglich zu machen. Kulturelle Bedenken kamen hinzu, die Parallelen zu barocken Fehlschlägen traten hervor und auch aus Fachkreisen wurde immer wieder auf die noch abzuwartende Leistungsfähigkeit der Logik und deren Verknüpfungen hingewiesen. Mein Glaube an das Semantic Web verblasste und von meiner anfänglichen Überzeugung, dass hier etwas Durchschlagendes zu erwarten wäre, blieb nur noch eine vage Hoffnung auf Neuerungen, die vielleicht als Annäherungen an das Semantic Web gelten können.
Wurde ich zu meinem Diplomthema befragt, musste ich immer wieder erklären, um was es sich beim dem ominösen neuen Web, von dem man noch kaum etwas hörte, eigentlich handeln soll, und am uneinsichtigsten war den Meisten, wofür man so etwas eigentlich braucht. Web 2.0 war in aller Munde und auf noch mehr so einen Hokuspokus wollte man sich ungern einlassen. Die Möglichkeiten eines von Maschinen und Agenten durchorganisierten Alltages, mit gar künstlicher Intelligenz, mutet wahlweise erschreckend und lächerlich an. Noch mehr Bots und Prozesse, die man nicht kennt, noch mehr digitale Sekretäre die keiner braucht? Eine Art kleinster gemeinsamer Nenner war dann immer die Aussage, „Ah, das Semantic Web ist dann also so was wie eine bessere Suchmaschine.“ Und wer braucht dies, wenn es doch schon Google gibt?
Ich begann also in Erfurt zu arbeiten und die Idee des Semantic Web schien aus meinem Leben und Denken immer mehr zu verschwinden. Wieder fragten Chef und Kollegen mich nach meinem Diplomthema, doch mir bleib kaum mehr als ein verzagtes, „ Ich untersuchte eine wahrscheinlich utopische Kulturtechnik, die es so vielleicht gar nicht geben wird.“ Und nach groben Erläuterungen lief es wieder auf die clevere Suchmaschine hinaus, deren Logik aber noch lange nicht im Stande ist, die Daten im Netz automatisch auch inhaltlich zu verarbeiten.
Seit den drei Wochen, die ich hier nun beschäftigt bin, fällt es mir nun von Tag zu Tag einfacher, meinen Untersuchungsgegenstand von damals zu erklären. Und ironischerweise gibt mir ausgerechnet meine Arbeit, die mich doch vom theoretischen Hokus-Pokus des akademischen Elfenbeinturms, mit seinen weltfremden Experimenten und Gedankenspielen entfernen sollte, dazu Anlass. Mit den Worten „… und genau hierfür bräuchte man das Semantic Web.“ Von Tag zu Tag bedauere ich immer mehr, dass es mir nicht zur Verfügung steht. Denn die „bessere Suchmaschine“ wäre im Augenblick exakt das, was mir für meine Arbeit am meisten fehlt.
Der Grund ist folgender: Ich habe zahlreiche Aufgaben, die mit einer Recherche beginnen, beispielsweise suche ich nach Firmen und deren Kontaktdaten. Diese befinden sich sogar oft auf beinahe standardisierten Webseiten oder sind bereits in Datenbanken vorfindlich. Leider kann ich darauf von außen nur über die menschenlesbaren Seiten des WWW zugreifen. Wären sie nun so aufbereitet, dass sie auch für mich formalisiert zugreifbar sind, könnte das meine Arbeit unheimlich beschleunigen. Die Hürden der unzureichenden Logik treten dabei sogar zunächst in den Hintergrund, benötigte ich doch erst einmal nur die Daten im RTF-Format, um sie dann, ohne von Seite zu Seite zu browsen und die Daten per Hand herauszuklauben, in meine eigene Informationssammlung einzufügen.
Nun denke ich darüber nach, bereits vorhandene Semantic Web-Ansätze, wie beispielsweise Piggy Bank, noch einmal genauer zu betrachten um es in meine Dienste zu stellen. Ich brauche zunächst keine Agentenansammlung, die mir eine Pizza online bestellt, sobald sie vom Knurren meines Magens schließt, das ich Bedarf nach Nahrungsaufnahme habe. Eine automatische Sammlung von Kontaktdaten, vielleicht ergänzt durch eine automatisch erstellte Charakterisierung der Firmen, nach denen ich recherchieren möchte, würde mir vollständig genügen.
Es besteht zumindest für mich ein dringender Bedarf nach einer solchen Technologie, bei der es sich vielleicht nur um eine weiterentwickelte Suchmaschine handeln mag, die aber weit entfernt ist von dem, was Die Suchmaschine, Google zu Zeit zu bieten hat. Vive la Semantic Web, möchte ich hoffend rufen. Und das, nachdem ich die Idee schon fast als lächerlich abgetan hatte, um mich nach dem herrlich theoretischen Studium endlich der Praxis zuzuwenden. Hier holt mich nun mein Diplomthema wieder ein und lässt mich von den Meriten eines Semantic Web träumen.

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