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Monday, 22. October 2007

Ein herrlich verregnetes Wochenende

Plitsch platsch - herrlich. Seit ich direkt unters Dach gezogen bin, freue ich mich über Regen am Wochenende. Denn dann kann ich zu Hause bleiben, den Regen genießen, muss nichts unternehmen, weil "die Sonne scheint und schönes Wetter ist" und kann den ganzen Tag mit Lesen und Filme schauen verbringen. Sollen sie kommen, die grauen und klammkalten Novembertage - ich lausche dem sanften Trippeln des Regens und erwarte die Sonne vor März nicht wieder. Werktags hingegen soll sie ruhig scheinen, dann freue ich mich mittags, aus dem Büro zu kommen, aber mehr muss nun wirklich nicht sein.

Seit meinem Urlaub habe ich einige Bücher genüsslich verschlungen. Und liest man erstmal eines, das mal wieder so richtig fesselte, dann schwärmt man im Freundeskreis, will es gleich mehrfach verleihen und findet sich im nächsten Augenblick unter einer Laviene von Buchempfehlungen wieder, die man, hat einem dieses eine Buch gefallen, auch ganz sicher genießen würde. Um bei all den Empfehlungen und der Begeisterung nicht den Überblick zu verlieren , können ein paar Notizen hier nicht schaden.

Meine Urlaubslektüre war ein Buch, dass ich mit dem Vorsatz schloss, es auf jeden Fall noch einmal im Original zu lesen. Dies war Neil Stevensons Quicksilver. Im ersten Teil des Barockzyklus werden Leibniz, Newton, Luis XIV und Wilkins dem Leser zu guten Bekannten. Die Ahnen von Randy, Andy, Amy und Arthour Douglas Shaftoe sind die Figuren dieses Romanes. Das Buch liest sich leichter als das Kryptonomicon und geht dabei so schnell vorbei, dass sich der Leser unmittelbar nach dem letzten Wort nach dem nächsten Teil der Trillogie sehnt. Schmunzeln muss man als Leser oft; sei es, wenn Waterhouse verzweifelt, als keiner das noch neue MIT in Boston ernst nehmen will oder als Waterhouse sich bei besten Willen nicht vorstellen kann, dass sich ein so exotischer Brauch die das Teetrinken in England jemals durchsetzen wird.

Von solcher Lektüre verwöhnt, griff ich zu einem kleinen 200-Seiten-Krimi, der mich leider mehr enttäuschte, als erwartet. Oliver Pautsch: "Tödliche Stille" ist ein einfacher "Heimatkrimi", in dem ein Mannweib von einer Kommissarin in draufgängerisch-unüberlegtem Aktionismus versucht einen Mord aufzuklären, bei dem sie und andere mehrmals zu Schaden kommen. Man kann sich des Gefühls nicht erwehren, dass sie eigentlich weder den Fall noch ihr eigenes kompliziertes Leben sortieren kann und nimmt der ziemlich hölzern gezeichneten Figur, die gleich beim ersten Besuch in ihrer neuen Heimatstadt ein paar Kids niederschlägt, ihre betonte Jugendlichkeit nicht wirklich ab. Äußerlich vollkommen unweiblich ist eine Art weiblich-komplizierte Gefühlsinnenwelt angedeuted, die man als Leserin gar nicht so genau beschrieben haben möchte. Nun gut, aber wenn der Autor meint, zu wissen, wie es in so einer Kommisarin aussieht. Schließlich ist es ja kurz und schmerzlos nach knapp 200 Seiten wieder überstanden.

Dem musste ich nun einen guten Krimi gegenüberstellen und meine beeinflusste Wahl traf auf "Erntedank. Kommissar Kluftingers zweiter Fall". Ein Allgäu-Krimi von Volker Klüpfel und Michael Kobr. Also noch ein Heimatkrimi, diesmal aber lustig, glaubhaft und herrlich kleinbürgerlich, ohne dabei auf Ironie zu verzichten. Ein angenehmer Zeitvertreib, gruselig, spannend und einer Hauptfigur, Kommissar Kluftinger, der mit seiner ruppigen Art gleichzeitig intelligent und trampelig ist und vor allem glaubhaft.

Zwischendurch ein wenig Sachbuch, auch das sollte bei all der Belletristik nicht fehlen. Hier liegt bei mir gerade Erich Fromms: "Die Kunst zu Lieben" aufgeschlagen auf dem Nachttisch. Dieses kurze Büchlein bekam ich von einer Freundin empfohlen und es hat meine Erwartungen nicht enttäuscht. Die Kunst zu lieben ist eine sozialpsychologische Analyse darüber, wie wir Liebe heute betrachten, und unter welchen Voraussetzungen sie überhaupt erst denkbar wird.

Da ich den Krimi am Wochenende beendet habe, begann ich heute eine neue Lektüre, die die Turing-Reihe weiter fortsetzen wird, insofern man Quicksilver in diesen Reigen großzügig mit eingliedern kann. "The Turing Option" von Harry Harrison und Marvin Minsky verspricht ein spannendes SF-Abenteuer zu werden. Möge es weiter regnen an den Wochenenden!

Falls es noch weitere Empfehlungen geben sollte - immer her damit. Auch Minsky und Harrison werden bald ausgelesen sein und der Winter ist noch lang.

@moritil: wie hieß nochmal das Buch, das du mir neulich empfohlen hast? Die Fledermaus? Nicht das mit den Schafen sondern das andere?

Tuesday, 3. April 2007

Unmöglichkeit weiterer Kommunikation

Vor einem Monat starb Baudrillard, jetzt folgt Paul Watzlawik. Näheres in der Zeit
Wo sind die neuen? Wer schreibt jetzt die unverständlichen, manchmal sogar lustigen, langen und verzweigten Texte?

Wednesday, 3. January 2007

global village revistited

Franz Nahrada stellt eine Utopie, genauer, seine Syntopie vor, die auf einer intelligenten Nutzung verfügbarer Technologie beruht. McLuhans Konzept des global Village bildet die theoretische Basis für die „Vision der Globalen Dörfer“, in der Telepräsenz, digitale Kommunikation, dezentralisierte und faire Produktion, Umweltbewusstsein und Vernetzung ineinandergreifend funktionieren.
Ein globales Bewusstsein wird in betont lokalen Inszenierungen erzeugt. Auf sozialer, wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Ebene sind globale und lokale Strukturen miteinander verflochten, ohne den Charakter von massenhafter Anonymität zu besitzen. Zusammenarbeit und Zusammenleben bestimmen sich nicht so sehr durch traditionelle räumliche Anforderungen, sondern vielmehr durch eigene Interessen . Mobilität und Standortwahl bestimmen sich nach anderen Kriterien, denn die Kommunikationsmöglichkeiten setzen andere Vektoren von Präsenz, Erreichbarkeit und Adressierbarkeit.
Einzelne Teile der Syntopie des 2003 verfassten Textes sind bereits heute als Installationen, Konzepte oder Pläne entwickelt wurden bzw. im entstehen. Mit einer verblüffenden Ähnlichkeit der Grundidee von dezentraler Kommunikation mit globaler Reichweite, der Simulation oder auch Inszenierung von Gleichzeitiger Präsenz in verschiedenen, entfernten Räumen, der Ausweitung von Interaktions- und Kommunikationsräumen scheinen sie an vielen Stellen gleichzeitig wie Pilze aus dem Boden zu sprießen. (Z.b. Verschiedene Installationen und Kunstprojekte: Dreher: Sammeltipp3, Interaktionfield – Public Space, Placa de las Libertades und viele andere Projekte, Tagungen und Forschungsprojekte befassen sich mit dem Thema.)
Von maßgeblicher Bedeutung ist hierbei neben der Rolle der Medien und Kommunikationstechnologien die der Rolle der Architektur. Die Divergenz der Medien, das Schrumpfen der Apparate und ihre Integration in die Umwelt lassen die Architektur mehr denn je Träger und Beherrberger jener Medien sein, die in der Architektur verschwinden, sie erweitern und mit ihr verschmelzen. Architektur ist einmal mehr selbst Medium.
Digitale Bilder, (auch in Verbindung mit Ton und Bewegung) können hier zwangsläufig nicht mehr als Repräsentation im Sinne klassischer Bildtheorie aufgefasst werden. (Vgl.: Sabine Flach ( 2002): Passagen der Ähnlichkeit. In: Intervalle 4. Mimetische Differenzen. Der Spielraum der Medien zwischen Abbildung und Nachahmung. (Hg.: Sabine Flach/ Georg Christoph Tholen) und auch ihr Verweis auf Boehm)
Erinnern wir uns an die Metapher vom Bild als Fenster, die von Karl Sierek vom traditionellen Bild her aufgenommen und auf das Fenster in der Computerpraxis weitergedacht wird. Dieses Fenster, im Sinne eines Rahmens des Programmes, zu Aktionsräumen, die er mit zynischer Ehrfurcht als „Vorrichtungen zum Herrichten von Beziehungen jenseits der Darstellbarkeit: Instrumente zur Anordnung und Schichtung von Bild- und Schrift-Ensembles, Armaturen des Zugriffs auf energetische Ströme und des Eingriffs in Beziehungsgeflechte oder einfach: Schalt-Bretter-vorm-Kopf“ (Karl Sierek (2003): Windows. Vom Rahmen zum Werkzeug. In: Störzeichen. Das Bild angesichts des Realen (Hg.: Oliver Fahle) S. 221) bezeichnet, erleben durch die Einbettung in den architektonischen Raum so etwas wie eine weitere Hybridisierung.
Sie werden zu Extensionen des Raumes, zu Schnittstellen zu anderen Orten, jedoch mit der Hoffnung, in einen öffentlichen Raum im traditionellen Sinne integriert zu sein. Spricht man längst von einem öffentlichem, virtuellen Raum im Internet und dessen sozialen Gefügen und Mustern, so ist er doch physikalisch eher an den unzähligen vernetzen Bildschirmen manifest, an denen jeder einzelne für sich ihren Eingang in die vernetzte Welt erfährt. So ist auch die Idee des Global Village zunächst einmal besonders im Diskurs der Netzutopien der 1990er beachtet worden, die unzweifelhaft mit der Verbreitung des Internet in Zusammenhang zu sehen ist.
In Installationen und Projekten wie Agroaphone, Placa de las Libertades oder ChatStop, um nur einige zu nennen, wird versucht mit Hilfe der Möglichkeiten der Architektur die vernetzten Kommunikationstechnologien an öffentliche Plätze zu tragen um die autistische Kommunikationspraxis am Arbeitsplatz aufzubrechen. Dadurch könnten wiederum althergebrachte und traditionelle Kommunikation wie die Agora oder der Dorfplatz im Lokalen mit Kommunikationsmöglichkeiten von globaler Reichweite kombiniert werden. Die Grenzen der Interaktionsräume und Kommunikationsräume verschieben sich dann unter ganz neuen Bedingungen.
Kommunikationspraktiken und Raumerfahrung werden grundlegend erweitert bzw. umgestaltet. Sicher haben wir auch jetzt schon die Möglichkeit zu sehen, was sich rund um den Globus zuträgt, es fehlt jedoch oft ein direkter persönlicher Bezug und die Nachrichten sind vorsortiert. Angeblich wandelt sich dies allmählich durch die bessere Möglichkeit der selbstverantwortlichen Mitgestaltung und Auswahl der Informationen durch das Internet, anstelle der zentralen Informationsverteilung durch die klassischen Massenmedien. Wie ein Trompe d'Oil, in das man zwar immer noch nicht hineingehen kann, mit dem man aber nun kommunizieren kann, ist das digitale Bild eine Erweiterung der Architektur in virtueller Hinsicht. Nicht körperlich erfahrbar aber doch kommunikativ kann der Raum innerhalb des plaza de las libertades von Sevilla unter anderem mit dem in Barcelona, aber auch weltweit verbunden werden, die Menschen sich sehen, hören und miteinander sprechen, und das im öffentlichen Um-Raum, nicht über den privaten Eingang zum Virtuellen. Wie ein Panorama, das sich nicht nur bewegt, sondern auch reagieren kann und ansprechen, in dem aktuelle Geschehnisse ganz anders erfahrbar sind als am privaten Bildschirm.
Auch von Visualisierung und Erfahrbarmachung abstrakter Daten ist die Rede. Placa de las Liberdates in Sevilla soll Darstellungen von beispielsweise Klimadaten, Verkehrsaufkommen, Nachrichten und anderes sowohl global als auch lokal beinhalten.
Das Ziel ist es, nicht nur die Menschen am jeweiligen Ort wieder zusammenzuführen und einen Raum für Kommunikation, Austausch, Kunst und Spiel zu gestalten, sondern auch entfernte Orte, die zwar auf abstrakte aber doch reale Weise miteinander vernetzt sind und in Wechselwirkungen stehen, zueinander in erfahrbare Beziehung zu setzten. Eine Art griechische Agora auf lokaler sowie globaler Ebene. Man könnte dies als einen konsequenten Kurzschluss zwischen den Individuen bezeichnen, die sich nun gegenseitig in vielfältiger Form beobachten könnten. Das Projekt Chat Stop, eine Installation, bei der Wartende an untereinander vernetzten Bus- und S-Bahnhaltestellen einer Stadt miteinander chatten können, richtet sich nicht nur gegen die Langeweile beim Warten und stellt Informationen zu Fahrplänen und Kulturangeboten bereit, sondern erzeugt auch ein Gefühl erhöhter Sicherheit der Individuen. Eine zentrale Überwachungskamera zum Schutze der Fahrgäste wäre wahrscheinlich hier obsolet.
Durch die Integration von Kommunikationstechnologie und Netzmedien in urbane Architektur, wandelt sich die Erlebbarkeit und Aktionsmöglichkeit im Raum zusammen mit den Blickachsen und der Informationsverteilung.
Warum also nicht das neue Jahr mit einer kleinen Utopie beginnen, umso besser, wenn sich daraus spannende und reflexionswürdige Ansätze ziehen lassen.

Soviel zum Hypertext! Wahrscheinlich auf grund der Länge des Beitrages ist es mir nicht möglich die Links im Text fehlerfrei einzufügen. Daher hier der Nachtrage der Zitate:

Franz Nahrada: Die Vision der Globalen Dörfer
sehr interessante Linksammlung von Projekten
weitere sehr interessante Liste: Interactionfield - Public Space
Hackitectura: Placa de las Libertades
Project Chat Stop

Wednesday, 6. December 2006

Toughts of the day

Blogging means constantly living in controversy: Controversy of having to make something up out of the material of boring topics any author with a slight rest of sane judgement would never ever even think writing about, combined with a constant pressure resting upon him, to fill the white (or black) space on the net with exclusively trilling stories and enlightening insides into the complicated and eye-opening mind of the blogger.
What if nothing happens that seems worth mentioning or if one just thinks about ideas to young, new and precious to talk about to the ignorant public. Probably it just don't care anyway but since it is recently said to be intelligent, even knowing and sometimes wise it is frightening me a bit.
Fine. It, (mass) already judged my blog. By not reading and not judging it. It must have become incredibly wise that it decided to completely ignore it. I am fine with that, some few subjects might read it, without much of a comment but still recognizing some activity.
Maybe i am better off without the the wisdom of mass. Apart from mass not having a real address (what might be the email-address when sending a mail to mass?), it cannot be directly blamed for anything. If mass says something how does it sign it? How do i know it has spoken? Mass also semms to be very impatient. It don't like long texts or complicated tracks of thought. Sometimes i think it should be treated like teenagers. When they misbehave, some adults tend to say something like if they wanted to be treated like grown-ups they better behaved like some. - if mass wants to have characteristics of subjects like being wise, intelligent or knowing it should finally start to behave like them: be individual, be responsible and addressable, which unfortunately is paradox.

Whatever mass has to say now, i will take it. It may be quirky what i wrote today, but sometimes you have to take a risk.

Maybe mass will say something like: she must have a outstandlingly boring live not be able to write about something that really happened, instead of throwing some hard-boiled accusations towards me.

You want to know what happened apart from me thinking about mass and its so-called intelligence?
I reacted to the good news that Barca won yesterdays football match with a pierce and small victory-scream.
Further on i enjoyed washing with our new washing machine – the old one was broken 2 weeks ago and my wardrobe merely bore the “not so much my favourite cloths”.
Last but not least i gave the flat-floor a good scrub.

I know, that was not much of a thrill. But at least it is true and substantial information. Have fun.

Wednesday, 26. April 2006

Buribunken und Bloggers

Die Haupteigenschaft der Buribunken ist, „daß die Buribunken Tagebuch führen, sowie, daß sie ein erweitertes Maul haben.“ Dabei ist das Tagebuch-führen ein Zeichen „enormer Geistigkeit“ und auch das „große Maul“ zeugt von hoher Intelligenz. Buribunken zeichnen das Leben auf, alles was geschieht, aus einem großen inneren Bedürfnis, die Geschichte zu schreiben und durch das Schreiben Geschichte zu konzipieren. Dabei machen sie sich selbst zu Objekten der Geschichte, denn das kompromisslose Aufschreiben beinhaltet auch das Schreiben über das Schreiben. Ein Buribunke kann sich nicht vom Schreiben entschuldigen, fällt ihm nichts ein, so schreibt er über die momentane persönliche Ideenlosigkeit oder den Unmut, zu schreiben. So wird das Schreiben beliebig und verwandelt sich in Roland Barthes „intransitives“ Schreiben, das sich selbst zum Gegenstand macht.
Ein Buribunke erzeugt Ereignisse für die Medien, auch wenn kein wirkliches Ereignis vorhanden ist. Allein sein Schreiben wird zum Ereignis und dass es sich beim Buribunkentum um eine ernst zu nehmende Wissenschaft handelt, begründet sich aus der Tatsache heraus, dass es sie gibt. Dessen vergewissern sich Buribunken auf Treffen und Tagungen, bei denen Gelegenheiten geschaffen werden, Tagebücher auszutauschen und zu sichten. Daraus entstehen Zusammenfassungen, Kataloge und Verhältnisse, Kommentare und Verweise, bei denen interner Reflexion Gelegenheit gegeben wird.
Nicht zu vergessen sind folgende Grundprinzipien des buribunkischen Schreibens: nichts ist zu banal, nichts zu unwichtig, alles kann und soll Gegenstand des nach Möglichkeit täglichen Aufschreibens und Katalogisierens des Alltags werden. Es wird darauf hingewiesen, dass jeder Tagebuchautor „in völliger Zwanglosigkeit“ verfassen, alle formal vormals bindenden Regeln nutzen oder verwerfen kann, und die „unbedingte Freiheit der Meinungsäußerung“ wahrgenommen werden soll.
Der Grundriß dieses Paradigma ist: „Ich denke, also bin ich; ich rede also bin ich; ich schreibe, also bin ich; ich publiziere, also bin ich. Das enthält keinen Gegensatz, sondern nur die gesteigerte Stufenfolge von Identitäten, die sich in logischer Gesetzmäßigkeit über sich hinaus entwickeln.“ Ein Buribunke wird nicht nur zum Teilnehmer seiner Geschichte, sondern er wird ihr Schreiber.

Die Buribunken, Protagonisten der satirischen Denkschrift von Carl Schmitt, die hier kurz zusammengefasst ist, trägt den Untertitel „ein geschichtsphilosphischer Versuch“ und stammt bereits aus dem Jahr 1918. Er treibt den damals blühenden Historismus auf die Spitze und entwirft die aus den Bemühungen von beinahe über-konsequenten Aufzeichnungsbemühungen eine pseudo-Wissenschaft. Die solipsistische Begründung seiner Wissenschaft und die sich aus sich selbst generierende Existenzberechtigung muten in ihrer Übertreibung lächerlich an. Die unbegrenzte Manie des Aufschreibens, selbst des Aufschreibens, um des Aufschreibens Willen sind Hauptbestandteil und Zwang der Buribunken.
Aber nicht alles daran ist verwerflich. Das Ziel einer solchen Kulturtechnik ist es, die Geschichtsschreibung zu dezentralisieren, denn jeder ist angehalten und autorisiert daran mitzuschreiben. Die Tagebücher wiederum, als Gegenstand weiterer iterativer Forschung werden zum Kontrollmedium, da sie Gewohnheiten, Alltäglichkeiten und einfach alles enthalten, was die Verfasser ausmacht. Das Innenleben publizieren und nach außen kehren, ist die Devise des Buribunken. Die Einzelnen Tagebücher zu „verlinken“ ist gedanklich in der Schrift angelegt, die gegenseitige Bezugnahme erwünscht.
Was soll nun aber die Betrachtung dieses beinahe 100 Jahre alten Text, der sich mit den Auswüchsen eines paranoiden Geschichtsbewusstseins befasst, umso mehr im Rahmen eines Blogeintrages?
Als ich auf den zitierten Text stieß, drängten sich Parallelen zur sich etablierenden Kulturtechnik des Bloggens geradezu auf. Nicht nur die Beobachtung, dass ein großer Teil von Blogs sich mit Alltag und der eigenen Person im Alltag befasst, auch die Selbstbezüglichkeit ist augenscheinlich. Buribunken und Bloggern ist nichts zu banal, kein Thema zu persönlich, nichts entbehrt der Berechtigung einmal Gegenstand eines Beitrages zu sein. Die angedeutete Verlinkung und Auswertung der buribunkischen Tagebücher findet allein durch die mediale Struktur der Blogs und natürlich ihrer Verortung im Internet in einer Form statt, von der erstere nur hätten träumen können. Und auch ich, Verfasserin eines kleinen und unsteten Blogs, werde bei längerem nicht-Posten vom schlechten Gewissen und dem Gefühl des Rückstandes heimgesucht.
Die Verwandschaft von Blogs zum Tagebuch ist offensichtlich. Der Frage, was ein Blog eigentlich sei, folgt oft die Antwort, es handle sich, vereinfacht gesagt, um eine Webseite mit Tagebuchcharakter. Natürlich erfasst diese Definition nicht alle Arten von Blogs und Verallgemeinerungen sind selbstverständlich höchst verwerflich, aber als Hinweis auf einen gemeinsamen geistigen Ursprung von Blogs und Tagebüchern ist diese Aussage durchaus akzeptabel.
Weiterhin steht die Welt des Journalismus den Bloggern skeptisch gegenüber bzw. sich der Schwierigkeit gegenüber, diese einordnen zu können. Als inoffizielle Journalisten schreiben sie ohne Lohn aus purem Enthusiasmus an der Geschichte, die in Zeitungen und Nachrichtenmedien generiert wird mit. Die Möglichkeit eines jeden Einzelnen, zu publizieren und eine Stimme zu bekommen, lassen alle in die Position der Geschichtsschreiber gelangen.
Schmitts Satire macht deutlich, dass nicht alles, was ein Buribunke schreibt von Vornherein qualifiziertes Gedankengut ist, aber das konsequente Aufschreiben und das „große Maul“ eine Art von Intelligenz und Weitsicht im Denken generieren, die durch die Menge und Vielfalt erreicht werden soll. Auch Blogs haben bereits auf Aspekte und Zusammenhänge aufmerksam gemacht, die dem klassischen Journalismus entgangen sind. Die Intelligenz der Massen ist im Zusammenhang mit Blogs und gerade dem Begriff des Web2.0 in die Debatte aufgenommen wurden.
Nun gut. Die Buribunken hat es nie gegeben. Sie sind eine Satire aus der Feder Carl Schmitts. Blogs gibt es, und es wird sich zeigen, in welchem Rahmen sie sich etablieren oder das bereits getan haben. Die Ähnlichkeit der Beiden Konzepte jedoch ist frappierend.

Zitierter Text: Carl Schmitt: Die Buribunken. In: Summa. Eine Vierteljahresschrift. Hrsg. Von Franz Blei. Viertes Viertel. Hellerau: jakob Hener, 1918. S. 89-106

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