Wednesday, 3. January 2007

global village revistited

Franz Nahrada stellt eine Utopie, genauer, seine Syntopie vor, die auf einer intelligenten Nutzung verfügbarer Technologie beruht. McLuhans Konzept des global Village bildet die theoretische Basis für die „Vision der Globalen Dörfer“, in der Telepräsenz, digitale Kommunikation, dezentralisierte und faire Produktion, Umweltbewusstsein und Vernetzung ineinandergreifend funktionieren.
Ein globales Bewusstsein wird in betont lokalen Inszenierungen erzeugt. Auf sozialer, wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Ebene sind globale und lokale Strukturen miteinander verflochten, ohne den Charakter von massenhafter Anonymität zu besitzen. Zusammenarbeit und Zusammenleben bestimmen sich nicht so sehr durch traditionelle räumliche Anforderungen, sondern vielmehr durch eigene Interessen . Mobilität und Standortwahl bestimmen sich nach anderen Kriterien, denn die Kommunikationsmöglichkeiten setzen andere Vektoren von Präsenz, Erreichbarkeit und Adressierbarkeit.
Einzelne Teile der Syntopie des 2003 verfassten Textes sind bereits heute als Installationen, Konzepte oder Pläne entwickelt wurden bzw. im entstehen. Mit einer verblüffenden Ähnlichkeit der Grundidee von dezentraler Kommunikation mit globaler Reichweite, der Simulation oder auch Inszenierung von Gleichzeitiger Präsenz in verschiedenen, entfernten Räumen, der Ausweitung von Interaktions- und Kommunikationsräumen scheinen sie an vielen Stellen gleichzeitig wie Pilze aus dem Boden zu sprießen. (Z.b. Verschiedene Installationen und Kunstprojekte: Dreher: Sammeltipp3, Interaktionfield – Public Space, Placa de las Libertades und viele andere Projekte, Tagungen und Forschungsprojekte befassen sich mit dem Thema.)
Von maßgeblicher Bedeutung ist hierbei neben der Rolle der Medien und Kommunikationstechnologien die der Rolle der Architektur. Die Divergenz der Medien, das Schrumpfen der Apparate und ihre Integration in die Umwelt lassen die Architektur mehr denn je Träger und Beherrberger jener Medien sein, die in der Architektur verschwinden, sie erweitern und mit ihr verschmelzen. Architektur ist einmal mehr selbst Medium.
Digitale Bilder, (auch in Verbindung mit Ton und Bewegung) können hier zwangsläufig nicht mehr als Repräsentation im Sinne klassischer Bildtheorie aufgefasst werden. (Vgl.: Sabine Flach ( 2002): Passagen der Ähnlichkeit. In: Intervalle 4. Mimetische Differenzen. Der Spielraum der Medien zwischen Abbildung und Nachahmung. (Hg.: Sabine Flach/ Georg Christoph Tholen) und auch ihr Verweis auf Boehm)
Erinnern wir uns an die Metapher vom Bild als Fenster, die von Karl Sierek vom traditionellen Bild her aufgenommen und auf das Fenster in der Computerpraxis weitergedacht wird. Dieses Fenster, im Sinne eines Rahmens des Programmes, zu Aktionsräumen, die er mit zynischer Ehrfurcht als „Vorrichtungen zum Herrichten von Beziehungen jenseits der Darstellbarkeit: Instrumente zur Anordnung und Schichtung von Bild- und Schrift-Ensembles, Armaturen des Zugriffs auf energetische Ströme und des Eingriffs in Beziehungsgeflechte oder einfach: Schalt-Bretter-vorm-Kopf“ (Karl Sierek (2003): Windows. Vom Rahmen zum Werkzeug. In: Störzeichen. Das Bild angesichts des Realen (Hg.: Oliver Fahle) S. 221) bezeichnet, erleben durch die Einbettung in den architektonischen Raum so etwas wie eine weitere Hybridisierung.
Sie werden zu Extensionen des Raumes, zu Schnittstellen zu anderen Orten, jedoch mit der Hoffnung, in einen öffentlichen Raum im traditionellen Sinne integriert zu sein. Spricht man längst von einem öffentlichem, virtuellen Raum im Internet und dessen sozialen Gefügen und Mustern, so ist er doch physikalisch eher an den unzähligen vernetzen Bildschirmen manifest, an denen jeder einzelne für sich ihren Eingang in die vernetzte Welt erfährt. So ist auch die Idee des Global Village zunächst einmal besonders im Diskurs der Netzutopien der 1990er beachtet worden, die unzweifelhaft mit der Verbreitung des Internet in Zusammenhang zu sehen ist.
In Installationen und Projekten wie Agroaphone, Placa de las Libertades oder ChatStop, um nur einige zu nennen, wird versucht mit Hilfe der Möglichkeiten der Architektur die vernetzten Kommunikationstechnologien an öffentliche Plätze zu tragen um die autistische Kommunikationspraxis am Arbeitsplatz aufzubrechen. Dadurch könnten wiederum althergebrachte und traditionelle Kommunikation wie die Agora oder der Dorfplatz im Lokalen mit Kommunikationsmöglichkeiten von globaler Reichweite kombiniert werden. Die Grenzen der Interaktionsräume und Kommunikationsräume verschieben sich dann unter ganz neuen Bedingungen.
Kommunikationspraktiken und Raumerfahrung werden grundlegend erweitert bzw. umgestaltet. Sicher haben wir auch jetzt schon die Möglichkeit zu sehen, was sich rund um den Globus zuträgt, es fehlt jedoch oft ein direkter persönlicher Bezug und die Nachrichten sind vorsortiert. Angeblich wandelt sich dies allmählich durch die bessere Möglichkeit der selbstverantwortlichen Mitgestaltung und Auswahl der Informationen durch das Internet, anstelle der zentralen Informationsverteilung durch die klassischen Massenmedien. Wie ein Trompe d'Oil, in das man zwar immer noch nicht hineingehen kann, mit dem man aber nun kommunizieren kann, ist das digitale Bild eine Erweiterung der Architektur in virtueller Hinsicht. Nicht körperlich erfahrbar aber doch kommunikativ kann der Raum innerhalb des plaza de las libertades von Sevilla unter anderem mit dem in Barcelona, aber auch weltweit verbunden werden, die Menschen sich sehen, hören und miteinander sprechen, und das im öffentlichen Um-Raum, nicht über den privaten Eingang zum Virtuellen. Wie ein Panorama, das sich nicht nur bewegt, sondern auch reagieren kann und ansprechen, in dem aktuelle Geschehnisse ganz anders erfahrbar sind als am privaten Bildschirm.
Auch von Visualisierung und Erfahrbarmachung abstrakter Daten ist die Rede. Placa de las Liberdates in Sevilla soll Darstellungen von beispielsweise Klimadaten, Verkehrsaufkommen, Nachrichten und anderes sowohl global als auch lokal beinhalten.
Das Ziel ist es, nicht nur die Menschen am jeweiligen Ort wieder zusammenzuführen und einen Raum für Kommunikation, Austausch, Kunst und Spiel zu gestalten, sondern auch entfernte Orte, die zwar auf abstrakte aber doch reale Weise miteinander vernetzt sind und in Wechselwirkungen stehen, zueinander in erfahrbare Beziehung zu setzten. Eine Art griechische Agora auf lokaler sowie globaler Ebene. Man könnte dies als einen konsequenten Kurzschluss zwischen den Individuen bezeichnen, die sich nun gegenseitig in vielfältiger Form beobachten könnten. Das Projekt Chat Stop, eine Installation, bei der Wartende an untereinander vernetzten Bus- und S-Bahnhaltestellen einer Stadt miteinander chatten können, richtet sich nicht nur gegen die Langeweile beim Warten und stellt Informationen zu Fahrplänen und Kulturangeboten bereit, sondern erzeugt auch ein Gefühl erhöhter Sicherheit der Individuen. Eine zentrale Überwachungskamera zum Schutze der Fahrgäste wäre wahrscheinlich hier obsolet.
Durch die Integration von Kommunikationstechnologie und Netzmedien in urbane Architektur, wandelt sich die Erlebbarkeit und Aktionsmöglichkeit im Raum zusammen mit den Blickachsen und der Informationsverteilung.
Warum also nicht das neue Jahr mit einer kleinen Utopie beginnen, umso besser, wenn sich daraus spannende und reflexionswürdige Ansätze ziehen lassen.

Soviel zum Hypertext! Wahrscheinlich auf grund der Länge des Beitrages ist es mir nicht möglich die Links im Text fehlerfrei einzufügen. Daher hier der Nachtrage der Zitate:

Franz Nahrada: Die Vision der Globalen Dörfer
sehr interessante Linksammlung von Projekten
weitere sehr interessante Liste: Interactionfield - Public Space
Hackitectura: Placa de las Libertades
Project Chat Stop

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